Friedsam verbringt Weihnachten in China
Tennisprofi feierte im September drei Turniersiege und ist jetzt Nummer 122 der Welt
Von unserem Mitarbeiter Thomas Wächtler
Anna-Lena Friedsam ist weiter im Aufwind: Mit sechs Turniersiegen im ITF-Circuit, davon allein drei im September, sowie dem Einzug ins Viertelfinale beim WTA-Turnier in Nanjing verbesserte sich die Tennisspielerin aus Oberdürenbach auf Platz 122 der Weltrangliste. „Ich bin mit der zweiten Hälfte des Jahres sehr zufrieden, vor allem die letzten Wochen waren eine schöne Zeit“, sagt die 19-jährige Profispielerin vom Andernacher TC, die seit Jahren die Vorzeigeathletin des Tennisverbandes Rheinland (TVR) ist und bei der Meisterehrung des Verbandes am 28. November in Ochtendung entsprechend geehrt werden wird – wie all die Jahre zuvor.
Turnierpause wird genutzt
Die Turnierpause zum Ende des Jahres, die nur von den deutschen Meisterschaften in der zweiten Dezemberwoche in Biberach unterbrochen wird, lädt ein zu einer Rückschau auf Friedsams erfolgreichstes Jahr. Wobei von Pause im Sinn von Beine baumeln lassen freilich keine Rede sein kann. Die vier Wochen nutzt Anna-Lena Friedsam zur Vorbereitung aufs nächste Jahr. „Wir wollen die Zeit möglichst breit abdecken“, sagt ihr Trainer Bijan Wardjawand.
Der Coach ist gut vernetzt und nutzt seine Kontakte. Natürlich geht´s wieder zum Pratzentraining in den Boxring der Kampfsport-Gym von Tarik Ettaous, aber Wardjawand hat auch mit Trainerin Ildikó Barna vom Bundesligisten Vulkan-Ladies Koblenz/Weibern einen Termin ausgemacht. Tennis-Crack Friedsam wird sich dann zur Abwechslung im Kreis des Handballteams mal mit einem etwas größeren Ball beschäftigen. „Beide Sportarten erfordern Schnelligkeit und Laufarbeit, zudem sind Schlagarm- und Wurfarmbewegung gleich“, erklärt der Trainer.
Immer etwas Neues im Programm, keine Monotonie und die richtige Dosierung, so soll möglichst abwechslungsreich viel in die vier Wochen hineingepackt werden, wenn es darum geht, die konditionellen Fähigkeiten zu steigern und damit die Grundlagen für die kommende internationale Turniersaison zu schaffen.
Die Zeit ist kurz, „das ist ein Problem“, denn am 22. Dezember steht schon wieder ein WTA-Turnier (500 000 US-Dollar) in China auf dem Programm. In Shenzhen und erstmals nicht im heimischen Eifelörtchen Oberdürenbach wird Anna-Lena Friedsam Weihnachten feiern. „Umso mehr werde ich mich dann nächstes Jahr auf die Festtage zu Hause freuen“, macht sie das Beste draus.
Im Osten Chinas, gut tausend Kilometer von Shenzhen entfernt, hatte Friedsam beim Nanjing Ladies Open, einem Hartplatzturnier der Challenger-Kategorie (125 000 US-Dollar Preisgeld), für Schlagzeilen gesorgt. „Das waren zwei schöne Erfolge“, kommentiert sie das Erreichen des Viertelfinales bei ihrer WTA-Premiere. Das brachte 44 Ranglistenpunkte und 4000 US-Dollar. In einer Saison, die zwar verletzungsfrei, bis zum Sommer aber „etwas durchwachsen“ verlaufen war.
Eine Niederlage brachte ihr den Kick. So ein 2:6, 2:6 wie gegen die Österreicherin Tamira Paszek in der ersten Qualifikationsrunde der US-Open sollte ihr nicht noch einmal passieren. Anna-Lena Friedsam zog Konsequenzen daraus: Die Dinge zielstrebiger angehen, nicht so leicht aufgeben. „Die Atmosphäre und das ganze Drumherum in New York haben mir gezeigt, wohin ich will“, nennt sie ihr Ziel. Es folgte ein goldener September, „der hat mich beflügelt“, die zweite Hälfte des Jahres bescherte ihr ein Glücksgefühl.
So ein Leben aus dem Koffer mit seltenen kurzen Abstechern in die Eifel-Heimat braucht Erfolgserlebnisse, zumal zu einem Zeitpunkt ihrer Karriere, da sie bei den großen Turnieren noch durch die Mühle der Qualifikation muss. „Wenn ich mal unter den Top 50 bin, wird es leichter“, hofft sie. Nebenbei büffelt Anna-Lena Friedsam im Hotel fürs Abitur, per Fernstudium bei der Studiengemeinschaft Darmstadt: „Man muss sich organisieren.“
Abitur per Fernstudium
Allein ist das kaum zu schaffen. „Die guten Nachwuchsspielerinnen sind fast immer in Begleitung“, erklärt Bijan Wardjawand, „man gerät schon mal in ein Loch und braucht dann jemanden zum Reden.“ Bis April hilft Ex-Kaderspieler Stefan Schwarz (Wardjawand: „Er hat sich ein Feriensemester genommen“), dann „müssen wir eine andere Lösung finden“.
Für Anna-Lena Friedsam ist das Leben als Tennisprofi immer noch „eine große Herausforderung“, sie hat es sich über viele Jahre hart erarbeitet. „Das war kein leichter Weg“, merkt ihr Trainer an, „es erfordert Disziplin und Durchsetzungsvermögen.“ Jetzt kommt sie viel rum, von China geht es auf den fünften Kontinent nach Hobart, wo ein weiteres Vorbereitungsturnier für die Australian Open ansteht.
Vor vier Jahren trat sie schon einmal beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres an und scheiterte in der ersten Junioren-Runde. Seitdem ist viel passiert bei ihr im Kopf („Meine Persönlichkeit hat sich entwickelt“) und auf dem Platz: „Ich spiele härter und konstanter.“ Das braucht es auch, denn sie muss wieder durch die Qualifikation. Noch ist Anna-Lena Friedsam nicht dort angekommen, wo sie hin will, im Elitefeld der Top-Spielerinnen. Platz 70 der Weltrangliste soll es am Ende des nächsten Jahres sein. Für ihren Coach „ein realistisches Ziel“.