DTB: Sie haben beim Porsche Tennis Grand Prix sensationell als Qualifikantin das Finale erreicht und damit Ihren bisher größten Karriereerfolg gefeiert. Mit beurteilen Sie diese Leistung mit einer Woche Abstand?
Laura Siegemund: „Ich muss sagen, dass ich mich relativ schnell erholt habe und sich die Eindrücke bereits am Montag nach dem Turnier einigermaßen gesetzt hatten. Ich habe in den ersten Tagen noch einmal gemeinsam mit Familie und Freunden alle Geschehnisse Revue passieren lassen, war dann aber tatsächlich recht zügig mit meinen Gedanken beim nächsten Turnier. Da war ich selber von mir überrascht und hätte gedacht, dass das etwas länger braucht. Natürlich bin ich super glücklich und stolz auf die Woche in Stuttgart, denn es waren wirklich viele Matches und eine starke Leistung von mir. Ich habe dafür auch einige Komplimente von anderen Coaches und Fachleuten bekommen, das hat mich sehr gefreut.“
DTB: Im Laufe des Turniers haben Sie mit Simona Halep und Agnieszka Radwanska gleich zwei Top 10-Spielerinnen bezwungen. Wie sind Sie an das Finale gegen die Nummer drei der Welt und deutsche Nummer eins, Angelique Kerber, herangegangen?
Laura Siegemund: „Ich hatte dank der vielen Spiele zuvor einen guten Matchrhythmus und wusste genau, was ich spielen will und kann. Ich war super fokussiert und hatte eine gute Spannung, so wie in allen vorherigen Matches auch schon. Angie ist eine Topspielerin und es hat bei mir einfach physisch nicht gereicht an dem Tag. Ich habe mich nicht mehr gut bewegt und konnte nicht mehr die langen Rallyes mitgehen. Die Luft war einfach raus und gegen so starke Kontrahentin wie Angie reichen dann eben 70 oder 80 Prozent nicht aus.“
DTB: Viele Beobachter loben Ihren unkonventionellen Spielstil – Sie nutzen den gesamten Platz, gehen oft ans Netz und streuen Stopps ein, um Ihre Gegnerinnen zu bewegen. Woran haben Sie in letzter Zeit speziell gearbeitet?
Laura Siegemund: „Ein gewisses Händchen und eine gute Übersicht hatte ich schon immer. Witzigerweise habe ich gerade daran gearbeitet, mein klassisches Spiel zu verbessern. Also Tempo mitgehen, besser servieren, besser Druck machen und noch schneller und präziser spielen. Die Kombination aus meinem bekannt variablen Spiel und diesen Sachen bringt jetzt den Leistungsunterschied. Ich merke auch an den Reaktionen, dass es den Leuten Spaß bringt, mir beim Tennis zuzuschauen. Hinzu kommt, dass ich schon seit längerer Zeit meine Fitness verbessert habe. Das zeigt sich natürlich auch auf dem Platz.“
DTB: 2016 ist bisher Ihr Jahr: Sie haben es bei den Australian Open erstmals in die dritte Runde eines Grand Slam Turniers geschafft, die Top 50 geknackt und sind in ihr erstes WTA Finale eingezogen. Was haben Sie sich für die weitere Saison noch vorgenommen?
Laura Siegemund: „Anfang des Jahres war es mein Ziel, mich in den Top 100 zu etablieren. Jetzt bin ich schon einen Schritt weiter, denn das, was ich jetzt erreicht habe, war eigentlich mein Endjahresziel. Ich möchte nicht über Zahlen und Rankings spekulieren oder mich davon verrückt machen lassen – mir ist es wichtig, dass ich an meinem Spiel arbeite. Es ist natürlich toll, in den Top 100 zu sein und beim nächsten Grand Slam Turnier direkt im Hauptfeld zu stehen, aber für mich persönlich ist es entscheidender, Vertrauen in mein Spiel zu haben und zu wissen, dass ich da auch hingehöre. Ich weiß jetzt, wie ich gegen gewisse Leute spielen muss, kenne meine Stärken und meine Schwächen. Ich konzentriere mich auf mein Spiel und meine ‚Prozessziele‘ und versuche, auf meinen Körper zu achten.“
DTB: Es fällt auf, dass Sie seit einigen Monaten sehr aktiv in den Social Media sind und Ihre Fans an Ihren Erfolgen und am Trainingsalltag teilhaben lassen. Was war der Grund für Sie, bei Facebook und Co. „einzusteigen“?
Laura Siegemund: „Seit den Australian Open ist das Interesse an meiner Person unheimlich gestiegen. Aus meinem Umkreis habe immer öfter gehört, dass es zum modernen Athleten dazugehört, sich in den sozialen Netzwerken zu präsentieren. Diese helfen mir natürlich bei der Sponsorensuche, auf der anderen Seite möchte ich meinen Fans gerne Offcourt-Einblicke geben oder sie auch mal mit hinter die Kulissen von Turnieren mitnehmen. Ich versuche dabei peppig zu bleiben und Dinge zu zeigen, die andere Spielerinnen vielleicht nicht auf ihren Accounts präsentieren. Ich bekomme super positives Feedback von verschiedensten Seiten und da macht das Ganze natürlich umso mehr Spaß!
DTB: Aktuell schlagen Sie bei den Mutua Madrid Open auf, haben es über die Qualifikation ins Hauptfeld geschafft und dort gleich zum Auftakt die an Nummer neun gesetzte Russin Svetlana Kuznetsova besiegt. Nun treffen Sie auf Mirjana Lucic-Baroni – was erwarten Sie von dem Match?
Laura Siegemund: „Ich erwarte ein schweres Spiel, denn an einem guten Tag kann sie auch auf Top 10-Niveau spielen. Ich habe sie dieses Jahr in zwei Sätzen beim Turnier in Charleston geschlagen, aber es war ein ganz enges Match. Die Plätze hier in Madrid sind sehr zügig und sie hat ein unheimlich druckvolles Spiel, deshalb muss ich physisch absolut fit sein, um aus der Defensive agieren zu können. Ich werde gutes Tennis spielen müssen, um das morgen zu gewinnen.“
Fünf Fragen an: Laura Siegemund - Deutscher Tennis Bund